Französische Actionfilmfans mögen beim Lesen der Überschrift auf eine Fortsetzung von „Section 99*“ hoffen, hier aber geht es um eine Sonderbestimmung, die sich in den 1.117 Seiten des Entwurfs für ein auf mehrere Jahre angelegtes Gesetz der Trump-Administration verbirgt, über das nach einer denkbar knappen Annahme im Repräsentantenhaus nun der Senat debattiert. Ob Elon Musk speziell diesen Abschnitt 899 im Blick hatte, als er die ‚One Big Beautiful Bill‘ als „widerliche Abscheulichkeit“ bezeichnete, werden wir wohl nie erfahren. Für den Präsidenten, der Steuern senkt wie jeder Republikaner, der etwas auf sich hält, sich zugleich aber ausgabefreudig zeigt wie ein Demokrat, scheint diese Klausel jedoch einen weiteren Hebel darstellen, um sich in den Zollverhandlungen die Oberhand zu sichern.
So erlaubt es der Gesetzestext in der vom Repräsentantenhaus verabschiedeten Fassung, steuerliche Vergeltungsmaßnahmen gegen Einzelpersonen, Unternehmen oder Regierungen von Ländern zu ergreifen, die „unfaire Steuern“ auf amerikanische Produkte und Dienstleistungen erheben. Diese Repressalien würden die Form einer withholding tax** annehmen, die bei 5 % beginnt und pro Jahr um weitere 5 % bis zu einer Grenze von 20 % anwachsen kann. Damit könnte dieser Passus die – auch indirekte – Steuerbelastung zahlreicher Finanzströme in Verbindung mit Auslandsgesellschaften deutlich erhöhen und über die kommenden zehn Jahre 116 Milliarden Dollar in die US-Staatskassen spülen, wie das Joint Committee on Taxation*** ausgerechnet hat.
Wer die potenziellen Zielscheiben dieses Vorhabens sind, ist leicht erkennbar: börsennotierte Unternehmen, die in Ländern wie dem Vereinigten Königreich oder den meisten EU-Staaten steueransässig sind und sich zu über 50 % im Besitz nichtamerikanischer Gesellschaften befinden. Da die Stoxx600-Unternehmen rund 25 % ihrer Einnahmen auf US-Territorium erwirtschaften, wären die potenziellen Auswirkungen auf europäische Aktien selbstverständlich negativ. Einer Analyse von Goldman Sachs zufolge würde die Anwendung dieses Mechanismus den Gewinn je Aktie des Index im ersten Jahr um 1 bis 2 % und auf Vierjahressicht um bis zu 5 % schmälern.
Eine Aussage von George Saravelos, dem Leiter der Devisenmarktanalyse bei der Deutschen Bank, illustriert das Unbehagen (beziehungsweise die Besorgnis), die diese Maßnahme auslöst, da „unfair“ schließlich eine subjektive Zuschreibung für Steuern ist: „Wir sind der Meinung, dass diese Gesetzgebung der US-Regierung die Möglichkeit gibt, einen Handelskrieg in einen Kapitalkrieg umzuwandeln, wenn sie dies wünscht.“ Im Hintergrund bröckelt damit der Mythos vom amerikanischen Exzeptionalismus noch etwas weiter. Womöglich werden es sich ausländische Firmen künftig dreimal überlegen, ob Sie in den Vereinigten Staaten investieren möchten.
Unterdessen hat die deutsche Regierung ein erstes Konjunkturprogramm samt Steuerentlastungspaket für Unternehmen angekündigt. So wichtig der Blick auf das große Ganze auch ist – es lohnt es sich stets, Akteuren aus der Praxis wie der Commerzbank-Führung zuzuhören. Diese hat jüngst auf einer Pariser Konferenz ihre Zuversicht bekundet und erklärt, dass der Wandel in Deutschland eingeläutet sei und sich die Bundesregierung auf ein 100-Tage-Programm konzentriere. Aufschlussreich ist auch der Standpunkt von Vonovia aufgrund seiner Position in der deutschen Immobilienlandschaft: Die Wohnungsbaugesellschaft lobt die neue Bauministerin in höchsten Tönen.
In diesem Kontext verwundert es nicht, dass Titel, die ein Engagement im Euroraum bieten, mit einem Plus von 20 % seit Jahresbeginn besser abschneiden als jene mit US-Exposure (0 %). Der Performance-Abstand spiegelt schlicht die ‚protektionistische‘ Neuausrichtung der Anleger angesichts der anhaltenden Ungewissheit im Zollstreit sowie des Paradigmenwechsels in Deutschland wider. Dass nun auch noch der Gucci-Eigentümer Kering (mit einem PER**** 2026 von 19 auf Konsensbasis) im Leitindex EuroStoxx50 vom Panzerbauer Rheinmetall (PER 2026: 39) abgelöst wurde, passt fast schon gespenstisch gut ins Bild.
Doch abgesehen von diesem Stühlerücken zwischen binnenmarkt- und exportorientierten Unternehmen scheinen derzeit auch Small und Mid Caps des Euroraums unter einem besonders guten Stern zu stehen: Zu ihrer Bewertung (der MSCI EMU Small Cap weist ein PER 2026 von 12 auf, gegenüber 13,8 beim MSCI EMU und 20,4 beim S&P500) kommt ihre höhere Ausrichtung auf den Heimatmarkt hinzu, mit der sie besser dafür aufgestellt sind, von den gestiegenen Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben zu profitieren. Der Blick auf Section 899 lässt also nur einen Schluss zu: Small is Beautiful!
*US-Film aus dem Jahr 2017 nach einem Drehbuch von S. Craig Zahler, der auch die Regie führte; auf Deutsch unter dem Titel „Brawl in Cell Block 99“ erschienen.
**Quellensteuer.
***Beim gemeinsamen Steuerausschuss handelt es sich um ein überparteiliches Gremium des Kongresses der Vereinigten Staaten, das die Mitglieder der Mehrheits- wie der Minderheitsparteien der beiden Kongresskammern bei Fragen der Steuergesetzgebung unterstützt.
****Price-to-earnings ratio, das Kurs-Gewinn-Verhältnis.
Pierre Pincemaille, Generalsekretär der Verwaltung., am 20. Juni 2025.

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