Leser mit gutem Gedächtnis werden noch lebhaft vor Augen haben, wie 2012 Mario Draghi (der damalige EZB-Chef) anlässlich der Staatsschuldenkrise die Einführung einer „unkonventionellen“ Geldpolitik ankündigte, um das Risiko einer Fragmentierung des Euroraums einzudämmen. Sein Fazit dieses Vorstoßes ist unter Notenbankern längst ein geflügeltes Wort: „Whatever it takes.“ Acht Jahre später lieferte Präsident Macron inmitten der Corona-Pandemie mit seinem „Quoi qu’il en coûte“ – koste es, was es wolle – eine französische Version dieser Devise.
Und dieser Tage ist es der wohl künftige Kanzler Friedrich Merz, der die Initiative mit einer Haushaltspolitik ergreift, die man ebenfalls als unkonventionell bezeichnen könnte, steht sie doch in krassem Widerspruch zur Spardoktrin der Bundesrepublik. Merz verfolgt einen dreistufigen Plan: 1. eine Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse, 2. die Einrichtung eines 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögens (11,6 % des BIPs 2024!) für Infrastrukturvorhaben und 3. eine Anhebung der Obergrenze für strukturelle Defizite der Länderhaushalte.
Mario Draghi bezeichnete diesen Plan prompt als „Gamechanger“. Hinzu kommt noch das Darlehen in Höhe von 150 Milliarden Euro, mit dem die EU im Rahmen ihrer Initiative „ReArm“ Verteidigungsausgaben fördert. Schon geht das Wort von der (in diesem Fall fast wörtlich zu nehmenden) fiskalischen „Bazooka“ um.
Die Ökonomen haben bereits reagiert und die Wachstumsaussichten für Deutschland korrigiert, aber auch für den Euroraum, der von der Dynamik angeschoben werden dürfte. So geht beispielsweise Goldman Sachs nunmehr für 2026 von 1,3 % Wachstum (+20 Basispunkte) und für 2027 von 1,5 % (+20 Bp.) aus. Der einzige und nicht geringe Haken: Ob sich diese Prognosen bewahrheiten, hängt weitgehend vom Ausgang der Zollverhandlungen mit den Vereinigen Staaten ab.
Angesichts dieser Maßnahmen dürfte etwas von dem auf der EZB lastenden Druck weichen, ihre Leitzinsen aggressiv zu senken und damit auf expansives Terrain vorzustoßen, während zugleich die Mitgliedstaaten in größerem Umfang Anleihen zur Finanzierung dieser Verteidigungsbudgets emittieren müssen. Die Anleger haben ihre Entscheidungen umgehend an diese veränderte Lage angepasst: Noch am Tag der Ankündigung des wahrscheinlichen Kanzlers schnellte die Rendite der deutschen Bundesanleihe um 29 Bp. in die Höhe – ein Aufwärtssprung, wie es ihn seit der Wiedervereinigung nicht mehr gegeben hat! Seit Jahresbeginn hat die Rendite des Papiers um 40 Bp. auf 2,75 % zugelegt, was einem Kapitalverlust in der Größenordnung von 3 % entspricht.
Eine Bewegung dieses Ausmaßes legt nahe, dass das neue haushaltspolitische Paradigma der Bundesrepublik an den Zinsmärkten nunmehr eingepreist ist, womit sich das Risiko eines neuerlichen Fieberschubs bei den Renditen der Länder des Euroraums verringert.
Verlegt man den Fokus von der Makro- auf die Mikroökonomie, so zeigt sich, dass auch die Aktienanleger Merz’ Worten gelauscht haben: Performance-Spitzenreiter ist in diesem Jahr die europäische Rüstungsindustrie mit einem schwindelerregenden Plus von 60 %! Ein solcher Kurssprung wirft natürlich Fragen zu den Bewertungsniveaus auf (basierend auf den Konsenserwartungen bis 2027 beträgt die Prämie gegenüber dem Markt 60%), nicht zuletzt aber auch zum ESG-Status dieses Sektors, der in der Vergangenheit als nicht investierbar galt. Sein Beitrag zum „S“ (als Baustein für Sicherheit und Souveränität) könnte jedoch für neue Spielregeln sorgen, wie die Überlegungen im Rat des staatlichen norwegischen Pensionsfonds* belegen.
Generell stellen dank einer beispiellosen Konstellation (DeepSeek, mögliche Waffenruhe und Fiskalpaket) die europäischen Aktienmärkte dieses Jahr ihre US-Pendants in den Schatten, sodass sich der Bewertungsabstand zwischen den beiden Regionen automatisch verringert. Die Bewegung ist so heftig ausgefallen, dass institutionelle Anleger laut der neuesten Umfrage der Bank of America mittlerweile so stark in Europa positioniert sind wie zuletzt im Juli 2021.
Über die jüngste Rotation hinaus werden den Worten indes Taten folgen müssen (im Hinblick auf die Verteidigung, aber auch auf die Unabhängigkeit der Energieversorgung), damit der alte Kontinent nicht mehr nur für schnelle Trades, sondern auch für langfristige Anlagen attraktiv wird …
*Norges Bank Investment Management verwaltet ein Vermögen von umgerechnet 1.653 Milliarden Euro.
Pierre Pincemaille, Generalsekretär der Verwaltung., am 28. März 2025.

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